Bericht zur Usedom-Exkursion von COLEO e.V. in 2024
Johannes Sander, Bonn
Nach der erfolgreichen Wiederaufnahme der Exkursionen nach Usedom im Jahr 2023 (diese mussten, bedingt durch die Corona-Pandemie, von 2020 bis 2022 ausfallen) war man sich einig, dass auch in 2024 wieder eine solche Reise auf dem Plan stehen müsse. Der Termin wurde dieses Jahr für den Zeitraum vom 16. bis zum 22. September angesetzt. Es nahmen die Kollegen Hans-Joachim Grunwald, Klaus Renner und ich teil. Mit Klaus bildete ich für die Reise eine Fahrgemeinschaft, sodass ich mich bereits am 15. September auf den Weg zu Klaus nach Bielefeld machte und wir dort noch einen gemeinsamen Abend verbrachten, bevor wir am folgenden Tag in Richtung Usedom aufbrachen. Dort traf man sich abends am Hotel Residenz in Heringsdorf mit Hans-Joachim und erledigte einige Besorgungen. Anschließend wurde sich bei einem schmackhaften, chinesischen Buffet in Bansin rege ausgetauscht und ein Plan für den kommenden Exkursionstag gefasst.
Dienstag – 17.9.2024
Am Vorabend hatten wir uns auf Kamminke als erstes Etappenziel der Reise verständigt. Die gemeinschaftliche Fahrt vom Hotel dauerte nicht lange und so begann die Exkursion bereits am frühen Vormittag. Das zunächst noch bedeckte Wetter wandelte sich im Laufe der Zeit zu Sonnenschein, der bei angenehm milden Temperaturen sehr willkommen war. So konnte ausführlich gesiebt, geklopft und gebuddelt werden (Abb. 1). Das Anspülicht des Strandes barg Flohkrebse in riesigen Mengen, jedoch nur wenige Käfer und Wanzen. Letztere waren aufgrund der fortlaufenden Bearbeitung der Wanzenfauna Usedoms durch Mitglieder von COLEO e.V. unter Mitarbeit von Dr. Christian Rieger gleichermaßen begehrt wie die Käfer. Dennoch ließen sich mit der Zeit einzelne Staphyliniden und Hydrophiliden zwischen den zahlreichen Flohkrebsen entdecken. Ein am Strand befindlicher Haufen mit Grasschnitt barg zahlreiche Anthiciden und Ptiliiden. Man arbeitete sich klopfend und siebend den Strand entlang, konnte aber den begehrten Dermestes gyllenhalii in Ermangelung von passender Schilfstreu nicht entdecken. Die
Abbildung. 1: Der Verfasser in Aktion
Staphyliniden in den Gesieben wurden jedoch zahlreicher und auch einige Blattkäfer wie auch Weiteres landeten in den Sammelgläsern. Nach guten zweieinhalb Stunden machte man sich auf den Weg zurück zum Auto, wo man die tags zuvor besorgte Brotzeit genoss.
Im Anschluss stand noch das NSG Golm auf dem Plan, welches von Kamminke aus schnell zu erreichen war. Klaus und ich nahmen den Weg in die oberen Bereiche des Schutzgebietes, während Hans-Joachim die Wegränder unten absuchte. An liegendem Totholz konnten bald einige Acalles misellus gefunden werden. Beim Aufstieg wurde ein liegender Rotbuchenstamm untersucht, der bereits Pilzbewuchs aufwies. An den Pilzen und in den Borkenspalten war eine große Artenfülle zu finden. Wir freuten uns unter anderem über Mycetophagiden, Monotomiden, Cryptophagiden und Staphyliniden. Auch einige Endomychus coccineus kamen zum Vorschein. Während Klaus danach den Rückweg antrat, stieg ich noch weiter auf den Golm. Dort wurden vom Mulm des liegenden Totholzes Gesiebe angefertigt. Auch die Totholzpilze des oberen Bereiches wiesen große Mengen verschiedener Käfer auf, sodass ich mich nach einer guten weiteren Sammelstunde zufrieden auf den Rückweg machen konnte. Am Auto tauschten wir uns sogleich über die Ergiebigkeit der verschiedenen Stellen aus, bevor man sich dann auf den Rückweg in den verdienten Feierabend machte. Der erste Sammeltag fand seinen Abschuss in einer Pizzeria in Heringsdorf.
Mittwoch – 18.9.2024
Selten zuvor wurde wohl so viel Zeit am Exkursionsziel des Mittwochs verbracht. War man es bisher gewohnt in Bossin zügig den Weg zum Haff zu nehmen, so waren dieses Mal bereits mehrere Stunden vergangen, bevor wir überhaupt den Deich erreichten. Grund dafür waren zahlreiche coleopterologische Ablenkungen auf dem Hinweg. Bereits am Parkplatz angekommen, entdeckte Hajo auf der umstehenden Vegetation ganz zufällig eine überraschende Artenfülle und Individuendichte. Beim Klopfen kamen neben zahlreichen Psylliodes, Latridiiden und Wanzen auch ein prächtiger Lixus und weitere Rüßler zum Vorschein. So war es in der ersten Stunde der Exkursion nicht einmal nötig, sich vom Parkplatz wegzubewegen. Auf dem weiterführenden Weg wurden dann einige Pappelhöhlen genauer untersucht, deren Mulm so einiges beinhaltete. Jedoch war das Auslesen der Gesiebe eine mühevolle Arbeit, die eine weitere gute Stunde in Anspruch nahm.
Abbildung: 2 Klaus und Hajo vor der ergiebigen Pappelhöhle
Bis dahin hatte man etwa 100 Meter des Weges geschafft. Endlich am Haff angekommen, sah man sich die Fauna der umgebenden Hopfenranken etwas näher an. Die Ruderalvegetation hielt mit Melanophthalma rispini (Abb. 3) einen Neufund für Mecklenburg-Vorpommern bereit, den Klaus bei der Zeitschrift „Virgo“ veröffentlichen wird. Das ahnte zu diesem Zeitpunkt aber natürlich noch niemand.
Abbildung 3: Melanophthalma rispini
Im Anschluss nahmen Klaus und ich den Weg zum hinteren Teil des Haffzuganges, während Hans-Joachim im Vorderen verweilte. Die Bodenstreu im Ufer- und Schilfbereich wurde intensiv durchsiebt und so vergingen nahezu zwei Stunden beim Auslesen der äußerst individuen- und artenreichen Gesiebe. Auf dem Rückweg traf man Hans-Joachim, der in die Untersuchung einer bodennahen Pappelhöhlung vertieft war. Voller Stolz präsentierte er seinen Fund, entpuppte sich diese Höhlung doch als einer der käferreichsten Totholzlebensräume, der jedem der Teilnehmer bisher je begegnet war (Abb. 2). Im Nachgang stellte sich heraus, dass es sich bei einigen der Staphyliniden um die selten gefundene Aleochara cuniculorum handelte, über deren Vorkommen nun auch ein Bericht in der entomologischen Zeitschrift „Virgo“ veröffentlicht werden soll. Nach begeisterter Inspektion machte man sich zufrieden auf den Rückweg zum Auto. Am Abend desselben Tages traf man sich im Hotel Residenz und genoss ein ausführliches Abendessen zu dem Klaus äußerst großzügig einlud. Als Exkursionsziel für den darauffolgenden Tag verständigte man sich auf den Wald bei Pudagla.
Donnerstag – 19.9.2024
Pudalga ist mit seinen totholzreichen, vielfältig strukturierten Waldbereichen seit Beginn der Untersuchungen durch COLEO e.V. ein begehrtes Ziel auf Usedom. Und so machte man sich auch dieses Jahr auf den Weg dorthin. Ebenso wie bei der vorherigen Exkursion nach Bossin, wurde auch hier wieder viel Zeit mit dem Anfertigen von Gesieben verbracht, welche nach mühevoller Auslesearbeit so manch winzigen Käfer zum Vorschein brachten (Abb. 4). An vielen Stellen konnte liegendes Totholz untersucht werden und auch auf der Vegetation saßen noch einige Käfer und Wanzen. Ein Komposthaufen mit fauligen Äpfeln am Wegesrand beherbergte eine Vielzahl von Epuraea occularis.
Abbildung 4: Hajo und Klaus bei der Arbeit
Bei einer ersten Pause beobachteten die Teilnehmer fasziniert das Treiben einiger solitärer Wespen, die ihre Eingänge im Erdboden direkt zu den Füßen der Pausenbank angelegt hatten. Ein totes Exemplar wurde ebenfalls entdeckt und zur späteren Identifikation eingepackt. Auf dem weiteren Weg setzte man die Untersuchung von Totholzstapeln fort, welche es aufgrund der zahlreichen nie abtransportierten Polder häufig gab (Abb. 5). Aus den fauligen Stämmen siebten wir zahlreiche kleine Histeriden und weiteres winziges Getier.
Abbildung 5: Untersuchung eines Polders
Man verließ den Wald zurück in Richtung Pudagla und konnte an den Wegrändern die leider recht uniforme Ruderalvegetation in Augenschein nehmen. Abgesehen von einigen Wanzen war hier jedoch nicht viel zu holen. Da auch an diesem Tag die Exkursion wieder mehr Zeit in Anspruch genommen hatte als geplant, entschied man sich gegen eine Weiterfahrt zum Balm und stattdessen für eine ausführliche Pause, bevor man sich am Abend beim bereits bekannten chinesischen Buffet in Bansin wiedertraf.
Freitag – 20.9.2024
Mit dem NSG Gnitz bei Lütow hält Usedom ein weiteres, im käferkundlichen Sinne äußerst spannendes Gebiet bereit (Abb. 6). Kurz nach Beginn des Weges führt linker Hand eine Abzweigung zum Ufer des Achterwassers. Die dort reichlich vorhandene angespülte Vegetation wurde durchsiebt. Auch Totholzstämme mit tiefen Höhlungen waren am Ufer zu finden, von deren Inhalt ebenfalls Gesiebe angelegt wurden.
Abbildung 6: Blick auf die Uferstruktur im NSG Gnitz
Auf einer Freifläche wenige hundert Meter nach dem Eingang zum Gebiet untersuchte man die krautige Vegetation. Zahlreiche der weniger vitalen Pflanzen beherbergten noch Rüsselkäfer, während sich an den Samen einiger Karden Latridiiden gütlich taten. Auf dem weiteren Weg wurde an verschiedenen Totholzstämmen gesiebt, bevor man sich für eine nachmittägliche Essenspause auf einem Stamm niederließ, der Larvengänge von Hylecoetus dermestoides aufwies. Auf dem weiteren Weg widmete man sich der krautigen Vegetation am Wegesrand, bis man vor einer alten Pappel mit zahlreichen Höhlungen an deren Grund zum Stehen kam. Aufgrund der guten Erfahrungen mit Pappelhöhlungen bei der Exkursion nach Bossin entschloss man sich, trotz des dichten Gestrüpps, das am Erreichen des begehrten Baumes hinderte, diesen genauer in Augenschein zu nehmen. Mithilfe der Kollegen arbeitete ich mich durch die dornige Barriere und entnahm eine größere Probe des enthaltenen Mulms, welches gemeinschaftlich ausgelesen wurde. Arten- wie auch Individuenreichtum standen in keinem Vergleich zum Baum des Bossiner Gebiets und doch konnte man der Probe einige interessante Histeriden und Staphyliniden entlocken.
Der Rückweg zum Auto ging schnell, denn wir hatten uns im Zuge der Exkursion nicht weit vom Auto wegbewegt, was zweifellos am zeitintensiven Sieben lag. Zum Abendessen hatten wir uns im „Usedomer Brauhaus“ in Heringsdorf verabredet, wo bei hauseigenem Bier und schmackhaften Speisen der Tag ausklingen konnte.
Samstag – 21.9.2024
Der Samstag stellte für Klaus und mich bereits den letzten Tag der Usedom-Exkursion dar. Hajo hatte sich noch einige Tage länger im Hotel Residenz einquartiert und hatte angekündigt, die Sammeltätigkeit auch alleine fortzusetzen. Für diesen letzten gemeinsamen Tag, hatte wir uns den Peenemünder Hundestrand als Exkursionsziel aufgehoben. Auf der gemeinsamen Fahrt durch die strandnahen Kiefernwälder wies Klaus darauf hin, dass an den umgebenden Pinus-Arten eine Suche nach der seltenen Zilora obscura durchaus lohnenswert wäre, sofern die entsprechende Verpilzung der Borke gegeben wäre. So machte man sich nach Ankunft im Exkursionsgebiet auch sogleich daran, nach möglichen Habitatbäumen zu suchen, blieb in diesem Unterfangen jedoch ohne Erfolg. Dennoch wurde man im Holz eines morschen Kiefernstammes in Bezug auf andere Käferarten fündig. Man konzentrierte sich im weiteren Verlauf auf die Dünenbereiche und Küstenwälder. Auch Moospolster wurden fleißig untersucht. Zum Ende des Rundganges betrat man den Strand und siebte im reichlich vorhandenen Spülsaum nach Käfern (Abb. 7). Neben Cafius xantholoma, der in Anzahl zu finden war, gab es weitere Staphyliniden, Hydrophiliden sowie zahlreiche Saldiden und sogar einige Hydraeniden zu bestaunen. Nach getaner Arbeit ließen wir uns für eine Pause am Dünenrand nieder und machten uns im Anschluss auf den Rückweg zum Auto.
Abbildung 7: Auf Käferjagd am Peenemünder Hundestrand
Für den letzten Abend verabredeten wir uns ein weiteres Mal in der Restauration des Hotel „Residenz“, in das Klaus wieder einlud. Der letzte Abend regte zu einem Rückblick auf die vergangenen Tage an und über den großen Erfolg der vergangenen Exkursionen bestand Einigkeit. Ein Gebiet wie die Insel Usedom hält zu jeder Jahreszeit aufregende Funde bereit und die Möglichkeiten faunistisch bemerkenswerter Entdeckungen sind lange noch nicht erschöpft. Daher soll uns auch im kommenden Jahr unser Weg wieder nach Usedom führen. Dies bietet jetzt bereits Grund zur Vorfreude!
Johannes Sander
entomologie@johannes-sander.de