COLEO

Gemeinschaft für Coleopterologie e. V.

Zur Rüsselkäferfauna der NWZ "Hellerberg"


-kurze Mitteilung von H.-J.Grunwald-

In den letzten zwei Jahren ist das Sammeln von Rüsselkäfern (Coleoptera, Curculionoidae) in der Naturwaldzelle "Hellerberg" im Arnsberger Wald intensiviert worden, da durch Vermittlung eines Schweizer Sammlerfreundes Herr Dr. Christoph Germann vom Naturkundemuseum Basel als sehr kompetenter Bearbeiter dieser Familiengruppe hat gewonnen werden können und deshalb genügend Material zur Verfügung gestellt werden sollte. Das Ergebnis dieser Arbeit liegt nunmehr vor. Die in der Zeitschrift "Natur und Heimat", Heft 3/2022, Münster, erstveröffentlichte "Übersicht zur Rüsselkäfer-Fauna der Naturwaldzelle "Hellerberg" im Arnsberger Wald" von Germann/Grunwald wird mit freundlicher Genehmigung des Schriftleitung der "NuH", Herrn Dr. Tenbergen, auch bei Coleo eingestellt als Bestandteil der fortlaufenden Untersuchung der NWZ.



Aus : Natur und Heimat, 82. Jahrg., Heft 3 2022


Übersicht zur Rüsselkäfer-Fauna der Naturwaldzelle "Hellerberg" im Arnsberger Wald, Westfalen (Coleoptera, Curculionoidea)

Christoph Germann (Basel) & Hans-Joachim. Grunwald (Arnsberg)


Zusammenfassung

Während 16 Jahren wurden Rüsselkäfer im weiteren Sinn (Curculionoidea) in der Naturwaldzelle "Hellerberg" im Arnsberger Wald, Westfalen mitge­sammelt. Diese wurden vorliegend bestimmt und konnten beachtlichen 113 Arten zugeordnet werden. Davon wird Anoplus setulosus Kirsch, 1870 erstmals für Westfalen gemeldet und es können Ceutorhynchus scrobicollis Neres­ heimer & Wagner, 1924, Otiorhynchus armadillo (Rossi, 1792), Pelenomus waltoni (Boheman, 1843), Scleropteridius fallax (Otto, 1897), Acalles fallax Boheman, 1844, Magdalis duplicata Germar, 1819, und M. nitida (Gyllenhal, 1827) als besonders erwähnenswerte Arten hervorgehoben werden. Zudem wurden mit Synapion ebeninum (Kirby, 1808), Ceutorhynchus pervicax Weise, 1883 und Notaris acridulus (Linne, 1758) weitere feuchtigkeitsliebende und mit Trachodes hispidus (Linne, 1758) und Echinodera hypocrita (Boheman, 1837) zwei weitere Arten aus altständischen Wäldern nachgewiesen . Die Gesamtzahl der nachgewiesenen Rüsselkäfer-Arten im Gebiet beläuft sich auf 134 (inkl. der früher publizierten Scolytinae) .

Einleitung

Eine Übersicht über die Rüsselkäferfauna Westfalens bieten Köhler & Klausnitzer (1998), mit Nachträgen von Köhler (2000, 2011). Danach meldeten Renner (2003, 2011), Grunwald(2011) und Renner & Grundmann (2020) weitere Nachweise aus Westfalen . Hier vorliegend Nachweise mit Fokus auf das Gebiet der Naturwaldzelle "Hellerberg" (Arnsberger Wald) . Während 16 Jahren wurden, neben zahlreichen weiteren Käferfamilien, auch Rüsselkäfer im weiteren Sinn (Curculionoidea) mit verschiedenen Methoden vom Zweitautor mitgesammelt. In den letzten beiden Jahren wurde ein ver­ stärkter Fokus auf die Rüsselkäfer gelegt. Dabei kamen neben Handfang, Kätschern und Klopfen auch das Käfersieb zum Einsatz. Hier werden die ersten Resultate zu den Rüsselkäfern gegeben. Die Bestim­mungen wurden vorwiegend vom Erstautor durchgeführt, einige ältere Beleg­tiere waren jedoch auch bereits vom Fachkollegen (erwähnt im Anhang) bestimmt worden.

Methoden

Details zum Gebiet können aus Grunwald (2021) entnommen werden. Das Gesamtprojekt umfasst die Aufnahme verschiedenster Gruppen innerhalb der Wirbel losen (https:// coleo.eu/Projekte/Natu rwaldzelle-Hellerwald/).
Die Nomenklatur folgt überwiegend Alonsa-Zarazaga et al. (2017), bleibt jedoch bei der traditionellen Gruppierung der Unterfamilien von Alonsa­ Zarazaga & Lyal (1999). Die Belegtiere sind in der Sammlung des Zweitautors hinterlegt, stammen aus der Sammlung K. Renner, oder werden im Natur­ historischen Museum Basel konserviert.

Resultate

Die Auswertung aller bisheriger Aufsammlungen innerhalb der Naturwaldzelle Hellerberg ergab  die beachtliche Anzahl von 921 Individuen in 113 Rüssel­käfer-Arten, vier Anthribidae, 16 Apionidae, eine Attelabidae, 85 Curculio­nidae, eine Erirrhinidae, eine Nemonychidae und sechs Rhynchitidae, die vollständige Artenliste ist dem Anhang zu entnehmen . Die Scolytinae (inner­halb der Curculionidae) wurden hier nur marginal miterfasst (2 Arten), bisher sind jedoch bereits deren 22 Arten aus der Naturwaldzelle Hellerberg nach­ gewiesen worden (Grunwald 2011), was die Gesamtzahl der Rüsselkäferarten (sensu lato) im Gebiet auf 134 ansteigen lässt.
Besonders erwähnenswert hinsichtlich weniger bisher bekannt gewordener Fundpunkte in Westfalen, oder auch insgesamt innerhalb des Verbreitungs­ gebiets oder erwähnenswert durch besondere Ansprüche, sind folgende Arten, welche hier im Detail widergegeben werden:

Ceutorhynchinae

Ceutorhynchus scrobicollis  Neresheimer & Wagner,  1924

1 Ex. Arnsberger Wald, Hellerberg, 13.6.2020, det. C. Germann. - 3 Ex. dito, 2021, det. C. Germann.
Bemerkung: Lebt an der Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata) und wurde in Deutschland bisher erst lokal und zerstreut nachgewiesen (Rheinreimer & Hassler 2010).

Pelenomus  waltoni  (Boheman,  1843), Abb. 1

1 Ex. Arnsberger Wald, Hellerberg, 2.9.2020, det. C. Germann.
Bemerkung: In Deutschland zwar weit verbreitet, aber selten gemeldet. Typi­sche Feuchgebiets-Art, an Ufern und auch Hochstaudenfluren, lebt an Persi­ caria hydropiper und P. mite (Scherf 1964). Vorkommen aus der nördlichen Rheinebene sind bereits bekannt (Rheinreimer & Hassler 2010). Renner (2015) gibt bisher diesen einen Fund an: Lünen/Westfalen, Selm-Bork, Lippeaue, Uferbiotope, 10.5.2014.



















Abb. 1: Pelenomus waltoni, Habitus

Abb. 2: Scleropteridius fallax, Habitus. Beide stammen aus der Naturwaldzelle Heller­berg, leg. H.-J. Grunwald
(Fotos: C. Germann)

Scleropteridius  fallax  (Otto, 1897), Abb. 2

1 Ex. Arnsberger  Wald, Hellerberg, 6.5.2020, det. C. Germann. - 2 Ex. dito,
9.5.2020, det. C. Germann.
Bemerkung: Selten gefundene Art. Lebt in Wäldern am Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella), wie genau die Entwicklung an dieser Pflanze abläuft  ist jedoch noch immer nicht geklärt worden (!). Funde wurden von RENNER (2003, 2011) erwähnt, wobei der Erstfund für Westfalen erst in 2002 erfolgte.

Cryptorhynchinae

Acalles fallax  Boheman, 1844

1 Ex. Arnsberger Wald, Hellerberg, 20.8.2012, det. C. Germann. - 90 Ex. dito 2021, det. C. Germann.
Bemerkung: Eine wenig mobile und selten gefundene Art in naturnahen alten Wäldern. In Deutschland zerstreut verbreitet, im Nordwesten, Osten und Nordosten. Die vorliegenden Funde  reihen sich ein in die bisher  bekannten nordwestlichen Vorkommen (Stoben 2022). Die zahlreichen Funde in der Saison 2021 von 90 Exemplaren (!) sind überwiegend auf die angepasste und erfolgreich angewendete  Methodik (Käfersieb)  zurückzuführen .

Curculioninae

Anoplus setulosus Kirsch, 1870

1 Ex. Arnsberger Wald, Hellerberg, 7.6.2006, det. C. Germann.
Bemerkungen: Erstfund für Westfalen! In Deutschland wird A. setulosus allge­ mein nur selten und lokal gefunden (Rheinreimer & Hassler 2010), was bei­ spielsweise weiter südlich aus der Schweiz nicht bestätigt werden kann, hier sind alle drei Arten (inkl. der zusätzlich grössten Art bei uns, Anoplus roboris Suffrian, 1840, welche auch hier im Arnsberger Wald nachgewiesen wurde) aus allen geographischen Regionen gemeldet (Germann 2010).









Abb. 3: Weibchen von Anoplus setosulus, Hellerberg

Abb. 4: A. setosulus, Berner Oberland, Frutigen (Schweiz)

Abb. 5: A. plantaris, Hellerberg (Fotos: C. Germann)

Das eine gefundene Exemplar wird hier abgebildet (Abb. 3) und mit einem Vergleichstier aus der Schweiz (Abb. 4), sowie der Schwesterart A. plantaris verglichen. Die längeren, weissen, etwas dickeren und abstehenden borsten­ artigen Haare auf den Zwischenräumen der Elytren, sowie die breiten schup­ penartigen ausgefransten Haare am Hinterrand des Halsschildes, lassen eine sichere Bestimmung des Exemplars aus Westfalen zu - bei der Vergleichsart
A. plantaris sind die Haare auf den Zwischenräumen der Elytren kürzer, an­ liegend und dünn, die schuppenartigen Haare an der Halsschildbasis sind unauffällig oder nicht vorhanden (Abb. 5). Allerdings  zeigen  Vergleichstiere von A. setosulus aus der Schweiz und Frankreich im direkten Vergleich noch breitere weisse borstenartige Haare auf den Elytren. Eine gewisse (eher uner­ wartete!) Variationsbreite kann hier also festgestellt werden. Zukünftig wäre sicher eine breitere Untersuchung unserer Anoplus-Arten angebracht, auch sollten Proben in Alkohol zwecks molekularer Untersuchung gesammelt wer­ den.


Entiminae


Otiorhynchus armadillo (Rossi, 1792)

1 Ex. Arnsberger Wald,  Hellerberg, 7.6.2021, det. C. Germann. Bemerkung: Erster Nachweis aus dem Sauerland/Süderbergland . Bisher liegen mindestens neun Funddatensätze aus den Jahren 2010-2020 aus dem Ruhrgebiet, Bochum, Hagen, Ruhrgebietsrand und aus Ostwestfalen vor (schriftl. Mitt. H. Terlutter) .

Mesoptiliinae

Magdalis duplicata Germar, 1819

1 Ex. Arnsberger Wald, Hellerberg, 7.6.2006, det. C. Germann.
Eine wenig gefundene Art, lebt in absterbenden Ästen von Waldföhre (Pinus sylvestris) und Fichte (Picea abies), auch an Lärche (Larix decidua). Wurde von Erbeling & Grundmann (2003), sowie Renner (2011) bereits für Westfalen er­wähnt.

Magdalis nitida (Gyllenhal, 1827)

1 Ex. Arnsberger Wald, Hellerberg, 20.9.2010, det. C. Germann.
Eine, in ihrer vertikalen Verbreitungspräferenz, eher montane Art in abster­ benden Ästen von Fichten (Picea abies) und Tanne (Abies alba). Bisher liegen zehn Datensätze zu M. nitida aus Westfalen aus den Jahren 1979 bis 2017 vor (schriftl. Mitt. H. Terlutter).

Fazit

Neben den einzeln erwähnten Arten, sollen auch kurz im Überblick die An­ sprüche einiger weiterer Arten angesprochen werden. Synapion ebeninum, Ceutorhynchus pervicax und Notaris acridulus sind - neben Pelenomus waltoni - drei weitere Arten mit erhöhter Feuchtigkeitspräferenz. Und zusätzlich zu Acalles fallax und Scleropteridius fallax, als Vertreter der typischen und wenig mobilen Waldarten müssen Trachodes hispidus und Echinodera hypocrita  (6 Exemplare von 2007-2020 und 22 weitere Exemplare in 2021) noch erwähnt werden. Rote-Liste-Arten  wurden  keine gefunden.

Danksagung

Wir danken Jochen Messutat (Preussisch Oldendorf), Heinrich Terlutter (LWL­ Museum für Naturkunde, Münster) und Klaus Renner (Bielefeld) ganz herzlich für Ihre zur Verfügung gestellten Funddaten für den vorliegenden Beitrag. Letzterem sind wir zudem für eine kritische Durchsicht des Manuskripts zu grossem Dank verpflichtet. Luca Engler (Basel) danken wir herzlich für seine Unterstützung beim Erstellen der Artenliste.

Literatur

ALONSO-ZARAZAGA M.A., BARRIOS, H., BOROVEC, R., BOUCHARD, P., CALDARA, R., COLONNELLI, E., GüLTEKIN, l., HLAVA( P., KOROTYAEV, B., LYAL, C.H.C., MACHADO, A., MEREGALLI, M., PIEROTII, H., REN, l., SANCHEZ-RUIZ, M., SFORZI, A., SILFVERBERG, H., SKUHROVEC, J., TRYZNA, M., VELAZQUEZ DE CASTRO, A.J., YUNAKOV, N.N. (2017): Cooperative Catalogue of Palaearctic Coleoptera Curculionoidea. Monografias electr6nicas de la Sociedad Entomol6gica Aragonesa 8: 1-729. - ALONSO-ZARAZAGA, M.A. & LYAL, C.H.C. (1999): A world catalogue of families and genera of Curculionoidea (lnsecta: Coleoptera) (Excepting Scolytidae and Platypodidae). - Entomopraxis, Barcelona, 315 pp. - ERBELING, L. & B. GRUNDMANN (2003): Das Bommecketal in Plettenberg (Sauerland), Naturkundliche Monographie eines Naturschutzgebietes. Naturwissenschaftlicher Verein, Lüdenscheid 2003, 289 pp. - GERMANN, C. (2010): Die Rüsselkäfer der Schweiz - Checkliste (Coleoptera, Curculio­ noidea) mit Verbreitungsangaben nach biogeografischen Regionen. Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft 83: 41-118. - GRUNWALD, H.-J. (2011): Pityophthorus pityographus (RATZ., 1837) Neufund für Westfalen (lnsecta: Coleoptera). Coleo 12: 3-5. - GRUNWALD, H.-J. (2021): Zur Spinnenfauna der Naturwaldzelle „Heller­ berg" (Westfalen, Arnsberger Wald). Coleo 22: 3-8. - KöHLER, F. (2000): Erster Nachtrag zum Verzeichnis der  Käfer Deutschlands. - Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden) 44: 60-84. - KöHLER, F. (2011): 2. Nachtrag zum „Verzeichnis der Käfer Deutsch­ lands" (Köhler & Klausnitzer 1998) (Coleoptera) . - Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden) 55: 109-174, 247-254. - KÖHLER, F. & B. KLAUSNITZER (Hrsg.) (1998):
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- SCHERF, H. (1964): Die Entwicklungsstadien der mitteleuropäischen Curculioniden (Mor­ phologie, Bionomie, Ökologie). - Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschen­ den Gesellschaft. Frankfurt a. M. 506: 1-335. - STOBEN, P.E. (2022): An illustrated Up-to­ date Catalogue of Westpalearctic Cryptorhynchinae - Le Charancon: Catalogues & Keys, No. 1, Mönchengladbach: CURCULIO-lnstitute.

Anschrift der Verfasser :
Christoph Germann (1) & Hans-Joachim Grunwald (2) Naturhistorisches Museum, Augustinergasse 2
CH-4051 Basel
Mail (1): christoph.germann@bs.ch;  Mail (2): Michaela-Grunwald@t-online.de

Anhang

Liste der zwischen 2004 und 2021 nachgewiesenen 113 Rüsselkäfer-Arten (Curculionoidea) in der Naturwaldzelle "Hellerberg" im Arnsberger  Wald  (Westfalen). Alle  Arten  wurden  durch   H.-J.  Grunwald  gesammelt.  Geordnet  alphabetisch   nach Familien, Gattungen und Arten. (Anz. = Anzahl Exemplare; Jahr(e) = Exemplare aus den angegebenen Jahren (oder Zeitraum) liegen vor; det. = determiniert durch.)