COLEO | 22 | 9-10 | 2021 | ISSN 1616-3281 |
Ein seltener Baumpilz beherbergt seltene Käferarten (Coleoptera: Biphyllidae, Zopheridae)
Klaus Renner, Bielefeld
Eingegangen: 29. 05. 2021
Im WWW publiziert am: 30. 05. 2021
Zu den nachfolgenden Fundmeldungen hier auch die Vorgeschichte: Meine Frau hatte mit einer Freundin im Verlauf einer Radtour bei Bielefeld-Dornberg Rast gemacht. An einem toten Baum sah sie etliche schwarze Baumpilze. Für ihre Initiative, einen davon abzulösen und mir mitzubringen, gebührt ihr besonderer Dank. Es handelte sich um den Holzkohlenpilz Daldinia concentrica.
Aus dem Pilzstück schlüpfte am 7. 5. 2021 ein Exemplar des Rindenkäfers Synchita undata (Zopheridae), von dem es aus Deutschland weit über 50 Fundmeldungen gibt, jedoch nur wenige aus Westfalen (coleokat.de, Stand Mai 2021). Horion (1961) kannte von „Cicones undatus“ noch keinen Fund aus Deutschland; die Art hat sich also von Südeuropa her deutlich ausgebreitet.
Um einen Zufallsfund der Synchita nach Möglichkeit auszuschließen, wurden umgehend aus Dornberg weitere Baumpilze und Borkenstücke eingetragen. Zur großen Überraschung erschienen schon gleich am 7. 5. mehrere Exemplare des sehr seltenen Pilzplattkäfers Biphyllus lunatus (Biphyllidae). Von dieser Art stammen die gut 15 Nachweise für Deutschland fast nur aus der Region Nordrhein, nicht aus Westfalen; aus Bielefeld liegt damit ein Neufund für Westfalen vor (coleokat.de, Stand Mai 2021). Ich habe Belege aus der Umgebung von Rees 1997, leg. Scharf. Reißmann (2008) meldet einen Fund vom Niederrhein aus der Nähe von Wesel, hat aber dort den Kohlenpilz nicht entdecken können.
Neben den aktuellen Funden vom Niederrhein deuten das Typusmaterial aus dem 18. Jahrhundert aus Kiel sowie einige Altfunde aus Teilen Süddeutschlands (Horion 1960) auf eine früher weitere Verbreitung des Biphyllus in Deutschland hin. Horion (1960) gibt für „Diphyllus lunatus“ eine Verbreitung vom südlichen Nordeuropa bis Italien und Griechenland an, bezeichnet die Art aber als überall sehr selten und als monophag an den Pilz Daldinia concentrica gebunden. Von Jahn (1979) wird der Pilz als „in Mitteleuropa nur gebietsweise häufiger“ bezeichnet. Siegemund (1935) meldet „Diphyllus lunatus“ als Neufund für die Rheinprovinz und vermutet, dass der Käfer „weniger als Sporenfresser den Fruchtkörper befällt, sondern in alten Bohrlöchern von Borkenkäfern und besonders im Mulm unter der Rinde als Mycelfresser auftritt“. Diese Vermutung könnte sich bestätigen. Meine Probe mit hohem Borkenanteil brachte gleich nach dem Eintragen die meisten Biphyllus-Exemplare, aber im Verlauf von nunmehr drei Wochen sind aus beiden Proben keine weiteren Biphyllus mehr erschienen, bisher auch leider keine zweite Synchita undata. Ob sich in den Pilzen noch Larven weiterentwickeln, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Literatur
Horion, A. (1960): Faunistik der mitteleuropäischen Käfer. Band 7: Clavicornia 1. Teil (Sphaeritidae bis Phalacridae), 346 S. Überlingen.
Horion, A. (1961): Faunistik der mitteleuropäischen Käfer. Band 8: Clavicornia 2. Teil (Thorictidae bis Cisidae), 375 S. Überlingen.
Jahn, H. (1979): Pilze, die an Holz wachsen. - ISBN 3-87120-853-1, 268 S., Verlag Busse, Herford.
Köhler, F., Gürlich, S. & Bleich, O. (2013): Onlineportal zum Verzeichnis der Käfer Deutschlands. - http://www.coleokat.de/de/fhl
Reissmann, K. (2008): Bemerkenswerte Käferfunde am Niederrhein (Insecta, Coleoptera). - Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen 18:37-40. Bonn.
Siegemund, Br. (1935): Diphyllus lunatus Fabr., ein Neufund für die Rheinprovinz. - Entomologische Blätter 31: 226-227. Krefeld.
Anschrift des Verfassers
Dr. Klaus Renner, Wickenkamp 9a, D-33615 Bielefeld, E-Mail: kaefer.renner@t-online.de