Bericht zur Usedom-Exkursion von COLEO e.V. im Jahr 2023
Abb. 1 Blick in das Vogelschutzgebiet „Johannishofer Wiesen“ vor Usedom.
Das Gebiet ist für Brutvorkommen der in Deutschland extrem seltenen Weißbart-Seeschwalbe (Chlidonias hybrida, vgl. Abb. 2) und der vom Aussterben bedrohten Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger) bekannt. Vom Parkplatz an der B110 führt ein langer Weg, der bald rechts und links von Schilf gesäumt ist, bis zu den großen Wasserflächen, auf denen zahlreiche Wasservögel beobachtet werden konnten. Ein weiterer Ornithologe war ebenfalls anwesend. und man kam schnell ins Gespräch über die Bestimmung der rotschnäbeligen Sterna-Seeschwalben, während bald schon die ersten Weißbart-Seeschwalben mit ihren charakteristischen „zrik“-Rufen über die Köpfe der Beobachtenden hinweg jagten. Auch jagende Trauerseeschwalben wurden schnell entdeckt und nebenbei auch noch zahlreiche weitere interessante Arten, wie etwa die Zwergmöwe (Hydrocoloeus minutus), der Kampfläufer (Calidris pugnax) oder die Flussseeschwalbe (Sterna hirundo). Das Treiben auf dem Wasser wurde aus einiger Entfernung von einem Seeadler (Haliaeetus albicilla) beäugt.
Abb. 2 Weißbart-Seeschwalbe (Chlidonias hybrida).
Bei all dem Vogelreichtum wurde dennoch auch die Entomologie nicht vernachlässigt. So konnte man sich am Schilf bald über den ersten Fund von freuen. An den Schilfrändern waren die Große Pechlibelle (Ischnura elegans) und das Große Granatauge (Erytrhomma najas) zu beobachten. Der Vierfleck (Libellula quadrimaculata) konnte, wenn auch anfangs noch sehr scheu, letztendlich dann auch abgelichtet werden (Abb. 3).
Abb. 3 Männchlicher Vierfleck (Libellula quadrimaculata).
Bei der Libellen- und Käfersuche ließ sich eine Ringelnatter (Natrix natrix) aus der Nähe beobachten, während sie zwischen den zahlreichen balzenden Wasserfröschen hindurchschwamm und bald im Schilf verschwand. Nach der erfolgreichen Tour im Vogelschutzgebiet ging es direkt weiter zum Naturschutzgebiet an der Gnitz auf Usedom. Dort sollte noch ein weiteres avifaunistisches Highlight gesucht werden, bevor sich dann für den Rest der Reise alles um die Käfer- und Wanzenwelt drehen sollte. Das besagte Naturschutzgebiet bietet eine abwechslungsreiche, magere Offenlandschaft mit Büschen und Hecken, in der sich Arten wie die Grauammer (Emberiza calandra), der Neuntöter (Lanius collurio) und die vom Verfassern gesuchte Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) heimisch fühlen. Alle drei Arten konnte nach kurzer Suche auf nahezu denselben Büschen ausgiebig bestaunt und fotografiert werden. Anschließend machte man sich auf, um das Appartement zu beziehen, Einkäufe zu erledigen und den Tag (aufgrund der langen Fahrt) recht früh ausklingen zu lassen.
Mit Einsetzen erster Regenschauer, machte man sich auf den Weg zurück zum Auto, um dann weiter Richtung Neuendorf zu fahren. Vor der Ortschaft befindet sich ein Waldstück, welches ebenfalls noch besammelt werden sollte. Aus nördlicher Richtung kommend, wurde das Auto auf dem ersten Parkplatz in der Kurve abgestellt und zunächst der östliche Teil des Waldes begangen. Der Regen hatte inzwischen aufgehört. Beim Klopfen der üppigen Vegetation kamen zahlreiche Curculioniden und Elateriden zum Vorschein. Auch ein Schizotus pectinicornis fand sich auf einer Buche. An etlichen vertrockneten Ästen der Clematis vitalba wurden Latridiiden gefunden. Das Durchsieben größerer Mengen vertrockneten Farns brachte weitere Elateriden. Nach etwa eineinhalb Stunden widmete man sich noch dem westlichen Waldteil. Dort konnte unter Eichenrinde ein Individuum von Opilo mollis gefunden werden. Gegen frühen Abend ging es schließlich zurück in die Unterkunft. In der Zwischenzeit war auch der Rest der Exkursionsgruppe angekommen und man verständigte sich per Mail auf einen Exkursionsort und Treffpunkt für den kommenden Tag.
Abb. 6 Blick in den Wald bei Neuendorf
Dienstag - 16.05.2023
Für den Dienstag hatte man sich auf das NSG Gnitz als erstes gemeinsames Exkursionsziel verständigt. Bevor man sich dort um 11:30 Uhr treffen sollte, stattete der Verfasser bereits morgens einer weiteren Stelle auf dem Weg nach Lütow einen Besuch ab. Östlich von Neuendorf liegt im Achterwasser die Halbinsel Görmitz. Auf der Usedomer Seite findet sich auf Höhe dieser Insel ein kurzer Sandstrandabschnitt mit dahintergelegenen Feuchtwiesen und vorgelagerten Schilfbereichen. Vor Ort wimmelte es von Agelastica alni. Auch Kleidocerys resedae wude in Massen gefunden. An dem strukturreichen Strand fanden sich außerdem zahlreiche kleine bis mittelgroße Carabiden, mindestens eine Paederus-Art und einige weitere kleine bis sehr kleine Staphyliniden.
Im Anschluss traf man sich pünktlich um 11:30 Uhr an der Unterkunft von Hans-Joachim und Michaela Grunwald in Lütow, um von dort in das NSG Gnitz zu starten. Bereits auf dem Weg zum Naturschutzgebiet wurde am Wegrand fleißig gesiebt und geklopft, sodass schon vor Erreichen des eigentlichen Exkursionsziels die ersten Käfer entdeckt wurden (Abb. 7). Im Gebiet wurden zunächst einige Fallen ausgebracht und ein kleiner Haufen mit Grasschnitt durchsiebt, was nicht nur zahlreiche Carabiden, sondern auch eine verdutzte Mauereidechse zum Vorschein brachte, die jedoch schnell wieder in ihr ursprüngliches Heim zurückkehren durfte. Beim Weitergehen wurde ausgiebig an Weißdorn geklopft, wobei Tatianaerhynchites aequatus in Serie gefangen wurde. An einem Zugang zum Achterwasser wurden am schlammigen Ufer mindestens zwei Elaphrus-Arten und andere Carabiden entdeckt. Der weitere Weg war immer wieder von größeren Beständen des Krausen Ampfers (Rumex crispus) gesäumt, was Hans-Joachim zum Hinweis veranlasste, dass an dieser und verwandten Pflanzen Apion frumentarium gefangen werden kann, was er durch den Fund zweier Tiere sogleich unter Beweis stellte. Am Ufer des Achterwassers schwärmte man aus, sodass Michaela und Hans-Joachim am Strand bereits auf Dyschirien – Suche lagen, während der Verfasser noch in der Nähe liegendes Totholz untersuchte, wobei ein Pogonocherus sowie ein Exemplar des Hololepta plana gefunden wurden.
Abb. 8 An den Ufern des Achterwassers im NSG Gnitz waren unter anderem Elaphrus riparius und Hydrometra stagnorum zu finden
Gemeinsam streifte man schließlich weiter den Strand entlang, konnte jedoch auch mit vereinten Kräften nur einen einzigen Dyschirius finden ( Abb. 9; das zufällig gesammelte Tier fiel allerdings erst am Abend beim Sortieren der Proben auf). Bevor man sich auf den Rückweg machte, wurde noch eine Ansammlung liegenden Totholzes untersucht, wobei Michaela eine neue Histeriden-Art für die Usedom-Liste entdecken konnte, während Hans-Joachim und der Verfasser ein weiteres Mal Reptilien statt Käfer fanden, diesmal in Form einer Blindschleiche (Anguis fragilis).
Abb. 9 Hans-Joachim und der Verfasser auf der Suche nach Dyschirien.
Zufrieden und mit gefüllten Sammelgläsern machte man sich auf den Rückweg. Anschließend traf man sich gegen 20 Uhr noch einmal in Lütow. Man wollte jedoch nicht nur den Abend in geselliger Runde ausklingen lassen, sondern vielmehr auch die brandneue, vereinseigene Leuchtanlage einweihen. Sobald es dunkel genug war, wurde diese (mit einigen Startschwierigkeiten) von Hans-Joachim und dem Verfasser im Garten der Unterkunft mit Blick auf das Achterwasser aufgebaut und in Betrieb genommen. Leider verhinderten der relativ starke Wind und die vergleichsweise niedrigen Temperaturen ein erfolgreiches Leuchten. Dennoch musste man nicht frierend stundelang um den Leuchtturm stehen, war doch die Wohnung von Michaela und Hans-Joachim direkt nebenan, sodass sich das Warten auf die Insekten bei einem kühlen Bier in der Küche als sehr angenehm gestaltete. Nach Ende des Abends machte der Verfasser auf dem Heimweg noch einen kurzen Stopp im bereits am Vortag erkundeten Waldstück bei Neuendorf, um einige Carabiden zu sammeln, bevor es dann endgültig nach Hause ging.
Mittwoch - 17.05.2023N
Für den Mittwoch hatte man sich – wie bereits am Vorabend besprochen – den Hundestrand bei Peenemünde vorgenommen. Zur Mittagszeit wurde der Verfasser vom Ehepaar Grunwald an seiner Unterkunft in Mölschow abgeholt und man fuhr gemeinsam zum Parkplatz an der L264 hinter Karlshagen. Bereits kurz nach Beginn der Exkursion entdeckte Hans-Joachim in den Dünen einen Broscus cephalotes unter liegender Kiefernrinde, welchen er freundlicherweise dem Verfasser überließ. Beim Durchkämmen der Dünengürtel wurden schon bald weitere typische Arten gefunden, wie etwa Philopedon plagiatum, Phylan gibbus und nach etwas längerer Suche schließlich auch der Negastrius arenicola. Neben zahlreichen Käfern konnte Hans-Joachim mit Marpissa nivoyi auch ein arachnologisches Highlight entdecken (Abb. 10). Die auffällige (aber damals noch unbekannte) Spinne wurde von allen ausgiebig bestaunt und fotografiert (die Fotos wurden später an das Ehepaar Kairat, Plettenberg, weitergeleitet, denen an dieser Stelle herzlich für die Bestimmung gedankt wird).
Abb. 10 Marpissa nivoyi
Der Strandabschnitt wurde abgesucht, bis der aufgrund von Munitionsresten abgesperrte Strandbereich erreicht wurde. Vor diesem versuchte der Verfasser in einer Schlickgras-Insel noch einige Saldiden zu erbeuten, leider jedoch ohne Erfolg. Zufrieden, dass so viele charakteristische Dünenarten entdeckt wurden, machte man sich auf den Rückweg zum Auto, welches man nach kurzer Irrung – hatte man sich doch die korrekte Nummer des Strandabgangs nicht gemerkt – erreichte (Abb. 11 und 12).
Abb. 11 Blick in Richtung des Hundestrands bei Peenemünde
Abb. 12 Auf Käfersuche am Peenemünder Hundestrand
Abb. 13 Die Fruchtkörper der Porlinge wurden von zahlreichen Diaperis boleti bewohnt.
Abb. 14 Nächtlicher Besuch am Leuchtturm – Flammenflügel-Graseule (Seta flammea)
Freitag – 19.05.2023
Die Exkursion am Freitag begann mit einer Fahrt an den Strand bei Kamminke (Abb. 15) . Im Spülsaum wurde zunächst nach Staphyliniden und Carabiden gesucht. Die an den Strand angrenzende Vegetation barg eine ungeheure Menge von Magdalisen, welche für die bevorstehende Rüßlerarbeit natürlich fleißig gesammelt wurden. Einige Cicindela hybrida konnten wegen des warmen, sonnigen Wetters am Strand beobachtet werden. Der Fang der Tiere erwies sich trotz Kescher als schwierig.
Im Anschluss fuhr die Exkursionsgruppe weiter zum Naturschutzgebiet Golm (Abb. 16). Der Golm wurde von Michaela und dem Verfasser erklommen, während Hans-Joachim im unteren Teil des Gebiets blieb, um weiter intensiv nach Rüßlern zu suchen. Während des Aufstiegs auf die geringe Erhebung konnte der Verfasser von liegendem Totholz einen Acalles klopfen. Die im oberen Teil des Gebiets wachsenden Maiglöckchen bargen eine größere Zahl von Lilioceris merdigera, welche sich jedoch als schwierig zu fangen erwiesen, da sie sich an der Blattunterseite sitzend bei Annäherung sofort in die Spreuschicht des Waldbodens fallen ließen. Unter Rinde wurden zahlreiche Salpingiden entdeckt. Aus einem hohlen Totholzstamm wurde außerdem Substrat entommen, aus dem später mittels Berlese-Apparatur einige Staphyliniden und Pselaphiden getrieben wurden. Man traf sich nach einer guten Stunde wieder am Auto und tauschte sich sogleich über die Funde aus.
Für den vorletzten Exkursionstag hatte man sich das Gebiet rund um Bossin ausgesucht. Auf dem Weg zum Haff wurde wieder fleißig die wegnahe Vegetation abgeklopft. Am Wasser angekommen, machte sich der Autor auf den Weg in den Schilfgürtel (Abb. 17), während der Rest der Exkursionsgruppe auf der Suche nach weiteren Rüßlern die umliegenden Gebüsche absuchte. Dabei gelang der Fund des nicht häufigen Elateriden Calambus bipustulatus. Im trocken gelegenen Teil des Schilfgürtels waren neben einigen Dytisciden zahlreiche Stenus- und Elaphrus-Exemplare zu finden. Die landseitige Suche nach Rüßlern förderte neben Käfern auch eine Erdkröte (Bufo bufo) zutage, welche nach kurzem Bestaunen wieder in die Freiheit entlassen wurde. Auf dem weiteren Weg auf dem Deich konnte man sich über den Fund eines Badister wie auch eines bereits verendeten Trogiden freuen. An verschwiegener Stelle wurde in bewährter Weise nach dem Bembidion transparens gesucht, was auch zum Fund einiger Agonum führte. Vor der Rückkehr zum Auto versuchte sich der Verfasser noch mit dem Wasserkescher am Fang einiger Gerriden, um auch der Fortführung der Wanzenliste die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Der letzte Exkursionstag führte nach Pudagla. Dort wurde im Wald des Westufers vom Schmollensee gesammelt. Bereits nach kurzer Suche konnten sowohl der Verfasser als auch Hans-Joachim je ein Exemplar des attraktiven Elateriden Selatosomus cruciatus entdecken. Aus abgestorbenen Ästen einer Birke konnten durch Klopfen einige Latridiiden und ein Pselaphide gewonnen werden. Auf dem Weg vor dem Wald freute man sich über den Fund eines Crypticus quisquilius. Im Schlamm einer Wildschweinsuhle konnten einige Staphyliniden sowie Notiophilus und Elaphrus-Exemplare entdeckt werden. Hans-Joachim hatte das große Glück je ein Exemplar von Sospita vigintiguttata und Attelabus nitens zu fangen. Auch hier wurde den Rüßlern wieder besondere Aufmerksamkeit geschenkt, sodass zahlreiche Arten wie Otiorhynchus raucus, Sitona humeralis, Phyllobius viridicollis, Phyllobius oblongus und viele Weitere auf der Exkursionsliste landeten. Die genaue Art- und Individuenzahl wird die weitere Bearbeitung der Proben zeigen. Nachdem am Straßenrand der nach Pudagla führenden B111 noch einige Hypera postica von Luzerne gekehrt wurden, machte man sich auf den Rückweg zur Unterkunft (Abb. 18). Da der Verfasser noch in derselben Nacht zurück nach Bonn fahren wollte, verabredete man sich für den Abend zu einer frühen letzten Zusammenkunft bei Hans-Joachim und Michaela. Man ließ bei alkoholfreiem Bier die vergangenen Exkursionen Revue passieren, wobei sich alle einig waren, dass man auch im kommenden Jahr wieder eine solche Usedom-Exkursion durchführen müsse.
Literatur
Rieger C. Tingis crispata (HERRICH-SCHAEFFER, 1838), eine für Mecklenburg–Vorpommern neue Wanzenart (Insecta, Heteroptera). In: Heteropteron Heft 70 (2023).
Autor
Johannes Sander
entomologie@johannes-sander.de
Bonn